Caroline Boissier-Butini : Concerto No. 6 "La Suisse"

CAROLINE BOISSIER-BUTINI : CONCERTO NO. 6 „LA SUISSE“ – BERNER KAMMERORCHESTER

GALLO CD-1277

First World Recording

Caroline BOISSIER-BUTINI : Concerto No. 6 en sol pour piano, flûte obligée et cordes, « La Suisse » – Pièce pour l’orgue – Sonate pour piano No. 1 – Divertissement avec rondo à la polacca pour piano, clarinette et basson.

Eva-Maria Zimmermann, Klavier – Regula Küffer, Flöte – Nicoleta Paraschivescu, Orgel – Babette Dorn, Klavier – Didier Puntos, Klavier – Michel Westphal, Klarinette – Catherine Pépin, Fagott – Berner Kammerorchester, Matthias Kuhn, Leitung.

Das 6. Klavierkonzert La Suisse

In ihrem 6. Klavierkonzert, dem sie selberden Titel La Suisse gab, hat sich Caroline Boissier-Butini von Volksliedern inspirieren lassen; eine genaue Datierung auf Grund der Quellenlage ist bisher nicht möglich, es ist aber anzunehmen, dass das Konzert vor 1818 komponiert wurde.

Die Rückbesinnung auf Volksweisen entspricht Kompositionstechniken anderer Tonsetzer ihrer Zeit. Ludwig van Beethoven wie auch der im selben Jahr wie die Komponistin geborene Carl Maria von Weber haben solche Themen verarbeitet. Die Komponistin ist insofern innovativ, als sie Themen eines Kühreihens integral zitiert, demjenigen Musikstück, das in den Augen ihrer Zeitgenosslnnen die Schweiz auf archetypische Weise darstellt.

Der Einstieg in den ersten Satz (Allegro) ist bewusst einfach gehalten und nach einem in der Klavierstimme virtuosen und modulationsreichen Mittelteil erscheinen die Eingangsthemen erneut am Ende dieses Satzes in leicht variierter Form. Der langsame Mittelsatz (Andantino), wo ein Kühreihen auftaucht, fällt durch reichhaltige Klangfarben und ausdifferenzierte Rhythmik auf, insbesondere durch die spannenden Interaktionen zwischen Klavier, Flöte und Bassstimme. Im Presto-Tempo des letzten Satzes (Rondo) variiert Caroline Boissier das Thema sechs Mal in verschiedenen Besetzungen und lässt das Klavier in den Solopassagen geschickt modulieren, was schon den Geist der Salonmusik der kommenden Jahrhundertwende voraus ahnen lässt.

Während der Klavierpart ausgesprochen virtuos gestaltet, ist dürfte das Stück durch die einfach gehaltene Orchestrierung auch den Weg ins Repertoire von Jugend und Amateurorchester finden.

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Das Pièce pour l’orgue

Caroline Boissier-Butini liess sich in ihrem Pièce pour l’orgue durch die Genfer Hymne inspirieren. Obwohl sich das Entstehungsdatum des Werks im heutigen Forschungsstand nicht mit Genauigkeit feststellen lässt, kann davon ausgegangen werden, dass es vor 1818 entstanden ist. Die uns zu

Verfügung stehenden Quellen weisen darauf hin, dass sich die Musikerin zwischen 1810 und 1818 intensiv mit der Orgel auseinandersetzte. In einem Brief an die Eltern aus Paris vom Frühjahr 1818 äussert sie gar den Wunsch, an der Genfer Kathedrale Titularorganistin zu werden, was ihr freien Zugang zum Instrument ermöglichen würde. Es bleibt zu erforschen, inwieweit sie diesen Wunsch umgesetzt hat.

Die Verwendung einer Volksweise im Pièce pour I’orgue lässt sich wohl durch die vorherrschenden politischen Umstände erklären. Seit 1815 gehört Genf nach sechzehnjähriger französischer Besatzung zur Schweiz. Es ist daher nicht erstaunlich, dass Caroline Boissier-Butini ihre patriotischen Gefühle ausdrückt, indem sie Variationen über das Volkslied Cé qu’è lainô (Celui qui est Ià-haut) schreibt : Nach einer Introduction (Largo) und der Exposition des Themas folgen acht Variationen, die die klanglichen Möglichkeiten der Orgel zur Geltung bringen und die bereits die französische Orgelromantik eines Théodore Dubois voraus ahnen lassen.

Die erste Klaviersonate

In der Bibliothèque de Genève liegen die Manuskripte dreier Klaviersonaten von Caroline Boissier-Butini. Während die Zweite und die Dritte oft noch skizzenhaft wirken, scheint die Erste am ehesten zu Ende gearbeitet zu sein.

Aber auch bei diesem Werk war bedeutende editorische Arbeit erforderlich, bevor das Stück gespielt werden konnte. Neben der oft undeutlichen Handschrift und den lückenhaften Vorzeichen, die auf eine Abschrift für den Eigengebrauch hinweisen, stellten die fehlen den Dynamik, und Phrasierungsangaben eine grosse Herausforderung dar. In der ersten Sonate ist die Sonatenform deutlicher Ausdruck der Auseinandersetzung der Komponistin mit den Vorbildern Beethoven und Mozart. In den Harmonien hingegen gibt sie sich unkonventionell; sie experimentiert insbesondere imersten Satz hemmungslos mit den Akkorden und setzt unerwartete harmonische Brüche.

Dies verleiht einigen Durchführungen einen improvisatorischen Charakter. Auch in diesem Werk schafft die Komponistin eine ländliche Atmosphäre, indem sie den zweiten Satz nach einem verinnerlichten Eingangsthema und einem besinnlichen, an einen Choral erinnernden Mittelteil mit einem Motiv im AlpenkoIorit schliessen lässt. Die idyllische, friedliche Grundstimmung wird vom Eingangsthema des dritten Satzes unterbrochen: durch die Akkordverschiebungen macht sich unterschwellige Unruhe bemerkbar. Beim Anhören der Klaviersonate überraschen an einigen Stellen grosse Intervalle, die so gar nicht zu dem passen, was man sich allgemein unter den „zarten Händen einer Dame“ vorstellt. Ungewöhnlich ist auch die Stimmführung, die sich oft erst durch grosszügigen Einsatz von Fingerpedalen erschliesst – ein weites Experimentierfeld für kreative lnterpretlnnen.

Das Divertissement avec rondeau à la polacca

Was im Manuskript ­- wohl einem Autografen als ­- „Divertissement avec rondeau à la polacca“ betitelt wird, kommt wie zwei eigenständige Themen mit Variationen daher. Es ist nicht auszuschliessen, dass auch ein dritter Satz geplant war. Für diese CD war die Einspielung des Divertissements nahe liegend, da dies das einzige kammermusikalische Werk aus Caroline Boissier-Butini Schaffen ist, von dem sämtliche Stimmen vorliegen. Die Besetzung mit Klarinette und Fagott stellt durchaus eine Ausnahmeerscheinung da; möglicherweise hatte die Komponistin das Werk einst für einen besonderen Anlass oder für ihr persönlich bekannte Bläser geschrieben.

Für die Zeit um 1815 sind in Genf der Fagottist Wolff-Hauloch und der Klarinettist Rostan nachweisbar, die regelmässig gemeinsam in verschiedenen Formationen auftraten.

Die beiden Themen im Volkston, die dem zweisätzigen Divertissement zu Grunde liegen, können anhand der in den 1810er Jahren in der Schweiz publizierten Liedersammlungen nicht als allgemein bekannte Lieder identifiziert werden. Möglicherweise handelt es sich um von Caroline Boissier-Butini selber komponierte „airs nationaux“, wie sie sie in ihren Briefen mehrmals erwähnt. Sowohl ihre Beschäftigung mit Volksweisen wie auch die Wahl der Polonaise zeugen von Caroline Boissier-Butini aktuellem Informationsstand hinsichtlich der musikalischen Tendenzen ihrer Zeit.

In der Polonaise kommt besonders eindrücklich der Sinn von Caroline Boissier-Butini für stimmungsvolle lnstrumentierungen zum Ausdruck: so erinnert das wiederkehrende Thema ein Mal mit rhythmisierenden Trillern an einen Musikautomaten, ein anderes Mal liefert das Klavier mit wirkungsvollen Arpeggien die Atmosphäre einer „Gitarrenbegleitung”.

 

Le ranz des vaches s’invite à la salle de concert

Les œuvres présentées sur ce CD-portrait reflètent plusieurs facettes de la créativité de Caroline Boissier-Butini : la musique d’agrément, avec le Divertissement et le concerto pour piano et flûte obligée La Suisse ; la musique « sérieuse », avec la sonate no 1, ainsi que la musique patriotique, avec la Pièce pour orgue. Les mélodies à caractère populaire forment le fil rouge, de l’ambiance pastorale de la fin du deuxième mouvement de la sonate a la citation intégrale du ranz des vaches gruérien dans le concerto en passant par l’hymne genevois Cé qu’é lainô dans la Pièce pour l’orgue.

Quant aux thèmes du Divertissement, faute d’avoir pu être identifiés, ils pourraient être de la plume de Caroline Boissier-Butini elle-même, car dans ses lettres de cette période, elle fait à plusieurs reprises allusion à des « chants nationaux » qu’elle a composés. Ces quatre pièces sont les rares témoins d’une époque encore peu documentée de l’histoire de la musique en Suisse et les enregistrements constituent des premières mondiales, servies avec engagement par des interprètes de qualité : Babette Dorn, Didier Puntos et Eva Maria Zimmermann piano ; Nicoleta Paraschivescu, orgue ; Regula Küffer, flûte ; Michel Westphal, clarinette ; Catherine Pépin, basson ; Matthias Kuhn, chef d’orchestre.

Irène Minder-Jeanneret, Revue Musicale Suisse

 

Frühromantische Musikperlen

Es gibt sie noch, die wundersamen Entdeckungen der Musikgeschichte. Im Rahmen einer Dissertation ist der Nachlass einer nahezu vergessenen Musikerin aus Genf gefunden worden. Zutage gefördert wurden Manuskripte mit frühromantischen Musikperlen. Caroline Boissier-Butini — sie lebte von 1786 bis 1836 — war zu Lebzeiten eine gefeierte Pianistin. In ihre Musik hat sie oft Schweizer Lieder eingewoben.

DRS 2 und das Label Gallo haben eine CD mit der 1. Klaviersonate, Orgelstücken, einem Divertissement und dem 6. Klavierkonzert (am Piano: Eva-Maria Zimmermann) mit obligater Flöte veröffentlicht. Dieses Werk mit dem Beinamen «La Suisse» versprüht Lokalkolorit par excellence. Demnächst wird anhand von Tagebüchern, Briefen und Reisenotizen die Biografie von Boissier-Butini veröffentlicht; bestimmt ein spannendes und horizontöffnendes Ereignis.

André Scheurer, Radio Swiss Classic

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CHF 19.50

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