Edvard Grieg: Lyrische Stücke – Aldo Ciccolini (3 CD)
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Edvard Grieg: Lyrische Stücke – Aldo Ciccolini
CD 1:
Edvard GRIEG: Lyric Pieces, Book 1, Op. 12: I. Arietta – II. Valse (Waltz) – III. Chant du gardien de nuit (Watchman’s Song) – IV. Danse des fées (Elves’ Dance) – V. Chant populaire (Folk Tune) – VI. Mélodie norvégienne (Norwegian Melody) – VII. Feuille d’album (Albumleaf) – VIII. Chant national (National Song) – Lyric Pieces, Book 2, Op. 38: I. Berceuse (Lullaby) – II. Chant populaire (Folk Tune) – III. Mélodie (Melody) – IV. Halling – V. Springdans (Leaping Dance) – VI. Elégie (Elegy) – VII. Valse (Waltz) – VIII. Canon – Lyric Pieces, Book 3, Op. 43: I. Papillon (Butterfly) – II. Voyageur solitaire (Lonely Wanderer) – III. Au pays natal (In the Homeland) – IV. Petit oiseau (Little Bird) – V. Erotique (Erotik) – VI. Au printemps (Spring Time) – Lyric Pieces, Book 4, Op. 47: I. Valse-impromptu – II. Feuille d’album (Albumleaf) – III. Mélodie (Melody) – IV. Halling – V. Mélancolie (Melancholy) – VI. Springdans (Leaping Dance) – VII. Elégie (Elegy).
CD 2:
Edvard GRIEG: Lyric Pieces, Book 5, Op. 54: I. Le berger (Herdboy) – II. Marche des paysans norvégiens (Norwegian Peasant March) – III. Marche des nains (March of the Trolls) – IV. Notturno – V. Scherzo – VI. Sonnerie des cloches (Bellringing) – Lyric Pieces, Book 6, Op. 57: I. Tombée du jour (Vanished Days) – II. Gade – III. Illusion – IV. Secret – V. Elle danse (She Dances) – VI. Mal du pays (Homesick) – Lyric Pieces, Book 7, Op. 62: I. Sylphe – II. Gratitude – III. Sérénade française (French Serenade) – IV. Ruisselet (Brooklet) – V. Fantôme (Phantom) – VI. Vers la patrie (Homeward).
CD 3:
Edvard GRIEG: Lyric Pieces, Book 8, Op. 65: I. Des années de la jeunesse (From Years of Youth) – II. Chant du paysan (Peasant’s Song) – III. Mélancolie (Melancholy) – IV. Salon – V. Nervure de feuille (Veined Leaf) – VI. Jour de noces à Troldhaugen (Wedding Day at Trolldhaugen) – Lyric Pieces, Book 9, Op. 68: I. Chant des marins (Sailor’s Song) – II. Menuet de grand’mère (Grandmother’s Minuet) – III. A tes pieds (At Your Feet) – IV. Soir en haute montagne (Evening in the Mountains) – V. Au berceau (Cradle Song) – VI. Valse mélancolique (Melancholy Waltz) – Lyric Pieces, Book 10, Op. 71: I. Il était une fois (Once Upon a Time) – II. Soir d’été (Summer Evening) – III. Lutin (Puck) – IV. La paix des bois (Peace of the Woods) – V. Halling – VI. Passé (Gone) – VII. Souvenirs (Remembrance).
Aldo Ciccolini, Klavier
1905 wird Norwegen — das vormals von Dänemark getrennt und für lange Zeit unter schwedischer Herrschaft gestanden hatte — unabhängig. Die Musik dieser Zeit kennzeichnete das Nationalbewusstsein der Völker. War Verdi ein Anhänger dieser Anschauung, so hatten sich Franz Liszt und Chopin einige Jahre zuvor vehement für ihr Vaterland eingesetzt. Edvard Hagerup Grieg wurde in Bergen geboren, und man kann sich vorstellen, was das für eine Freude für ihn war, der so lange für die Unabhängigkeit Norwegens gekämpft hatte.
Grieg kam 1843 auf die Welt. Als Fünfzehnjähriger entschließt er sich, in Leipzig Musik zu studieren. Er erhielt dort ab dem Herbst 1858 die beste Ausbildung, und zu behaupten, dass er vier Jahre später als anerkannter Musiker seinen Abschied vom städtischen Konservatorium feierte, ist nicht übertrieben. Er bereitete sich auf den Aufbau eines Werkes vor. Der Jüngling heiratet seine Cousine Nina Hagerup, Sängerin von Beruf, und siedelt nach Kopenhagen über. Wie die meisten seiner Zeitgenossen steht er unter dem Einfluss der romantischen Musik, wie sie die deutschen Tonsetzer dieser Zeit verkörperten. Doch der Wunsch nach einer typisch norwegischen Musik nimmt sehr bald Überhand über ihn. In Angleichung an den Trend der Epoche und auf Anregung von Rikard Nordraak (dem Verfasser der norwegischen Nationalhymne) interessiert er sich für das Volkslied und volkstümliche Melodien. Grieg lässt sich 1866 in Oslo (das damals noch Christiania hieß) nieder und geht ans Werk.
Ab 1867 komponiert er die ersten lyrischen Musikstücke, eine Reihe ob- zwar kurzer, jedoch anspruchsvoller Werke: 1901 sind es insgesamt zehn Bände. Ein musikalisches Fresko, eine Summe? Der Reiseplan eines rastlos arbeitenden Mannes, dem Erfolg zuteil wird, bevor er am Ziele seiner Wünsche angelangt ist, nämlich die Kunst in ihrem Wesen auch nur annähernd getroffen zu haben. Man pflegt, in Bezug auf die lyrischen Stücke, Chopin zu gedenken.
Dies ist zweifelsohne seiner energiegeladenen Art, dem seinen Kompositionen innewohnenden melodischen Schwall sowie der Lebhaftigkeit seines Temperaments zu verdanken, dass Grieg sich mit der Virtuosität seines Vorbilds messen kann. Doch im Laufe der Jahre gelingt es ihm, sich von diesem Einfluss zu lösen und seine Zeit durch seine harmonischen Einfälle zu prägen.
Das glockenspielartige Motiv der Inspiration, das sich in vielen Titeln wie „Schmetterling“, „Vöglein“, „Glockenklang“, „Bächlein“ oder sogar „Reisender im Alleingang“ zeigt, verbindet sich in „Norwegische Melodie“, „Nationalhymne“, „Im Heimatland“ sowie „Norwegischer Bauernmarsch“ mit dem Wunsch nach patriotischer Bestätigung. Diese Neigung mag womöglich von den Umständen herrühren, unter denen die Stücke komponiert wurden: Grieg, der vor allem als Konzertpianist und Lehrer Karriere machte, begab sich im Sommer ins lichtdurchflutete Gebirge, um dort zu komponieren. Man kann der Freude am Spazierengehen, das sowohl der Meditation als auch der kontemplativen Reflexion dient, und dem Wunsch nach Ursprünglichkeit in einer Zeit, in der Europa vom Industrialisierungsprozess erfasst wurde, nicht genug Bedeutung beimessen. Obwohl sich zwischen den Notenzeilen sein Innovationsgeist bemerkbar macht, gibt Grieg seiner — weitgehend geteilten — Besorgnis angesichts der Entwicklungen seiner Epoche Ausdruck. Ein gewisses Gefühl des Verlusts ist in vielen lyrische Stücke nicht zu überhören.
Woran denkt jemand, der am Abend seines Lebens die „Lyrische Stücke“ zu spielen beginnt? Aldo Ciccolini war einst Grieg auf der Spur — mit der „Ballade“ in g-Moll und unmittelbar danach einigen „Lyrische Stücke“. Schubert und Chabrier waren seine Begleiter, Satie ließ er eine Verjüngungskur angedeihen, und er pflegte Umgang mit Rossini und Chopin. Erinnert er sich an die außergewöhnliche Interpretation, mit der er die „Pilgerjahre“ zum Leben erweckte? Nicht ausgeschlossen, denn das Meisterwerk Liszts öffnet viele Fenster zu den Abenteuern des Norwegers. Mal zurückhaltend, mal feurig, scheint Ciccolini von einer ständigen Leidenschaft durchdrungen zu sein. Dank dieses inneren Antriebs gelingt es ihm, die kurzen Stücke ohne Orientierungslosigkeit anzugehen. Die Herausforderungen des Werks verblassen vor der Schönheit der Musik und der Klarheit des Ausdrucks. Aldo Ciccolini versteht es, Intelligenz und Empfindsamkeit so auszubalancieren, dass der musikalische Inhalt gewahrt bleibt, ohne ins Pathetische abzudriften. Er liebt es, sich mit diesen Komponisten zu beschäftigen — wobei er Chopin als seinen Meister betrachtet —, die sowohl den Schwankungen des Herzens als auch der Logik des Geistes gleiche Bedeutung beimessen. Er blättert durch Griegs Werke, wie die Tage vergehen — von sanftem Licht durchflutet. Ein Hauch von Fantasie schimmert durch die Versenkung. Man kann annehmen, dass der Pianist in diesen Noten viel von sich selbst preisgibt.
Frédérick Casadesus
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