Italienische Musik für die Laute des 16. und 17. Jahrhunderts - Ricardo Correa, Laute

 

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Italienische Musik für die Laute des 16. und 17. Jahrhunderts - Ricardo Correa, Laute

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Italienische Musik für die Laute des 16. und 17. Jahrhunderts

Francesco CANOVA DI MILANO: Ricercare No. 1 – Ricercare No. 12 – Ricercare No. 5 – Ricercare No. 73 – Ricercare No. 34 – Ricercare No. 15 – Vincenzo CAPIROLA: La Villanella – Ricercare „La Spagna“ – Che Farala Che Dirala – Albert DE RIPPE: Fantasie VII – Fantasie VI – Alessandro PICCININI: Balletto in Diverse Partite.

Ricardo Correa, Laute.


Das Leben eines Musikers in der italienischen Gesellschaft um 1500

Wie soll man sich das Leben eines Musikers in der italienischen Gesellschaft um 1500 vorstellen?
Welche Rolle konnten in dieser bewegten, erfindungsreichen, aber auch widersprüchlichen Epoche Komponisten wie Vincenzo Capirola, Alberto da Rippa und Francesco Canova da Milano spielen?


Francesco Canova

Francesco Canova lebte nicht lange in dem Dorf nahe bei Mailand, wo er 1497 geboren wurde; man weiß, dass er schon im Alter von 13 Jahren bei einem bekannten Musiker in Mantua Laute studierte. Anschließend trat er in den Dienst Papst Paul III., dann zweifellos auch in jenen seiner Nachfolger. Seine Tätigkeit als Musiker übte er besonders in Rom aus; er spielte Viola und Orgel—1530 wird er als Organist am Mailänder Dom erwähnt. Vor allem aber war er Lautist, und die durch seine Virtuosität angezogenen und verblüfften Zuhörer gaben ihm den Übernamen „Il Divino.“


Sein musikalisches Schaffen

Was spielte er? Neben Improvisationen auf vorhandene oder neu erfundene Themen, die man sich nur mehr vorstellen kann, verarbeitete er die Werke seiner Zeitgenossen und transkribierte Motetten und polyphone Chansons. Dieses „Intavolieren,“ ein damals übliches Verfahren, trug entscheidend zur Entwicklung der Instrumentalmusik der Renaissance bei. Den Kern seines Schaffens bilden jedoch seine RICERCARI, von denen uns beinahe hundert in zahlreichen musikalischen Sammeldrucken des 16. Jahrhunderts überliefert sind.


Fantasie/Ricercar

Fantasie/Ricercar: oft verwechselte Begriffe, die das gleiche Werk, je nach Ausgaben und Ländern, bezeichnen.

„Il Divino“ war nicht der erste, der Ricercari („Forschungsstücke“) schrieb: schon 1507 veröffentlichte Petrucci solche. Das Ricercar wurde mit Francesco da Milano zu einer sehr ausgearbeiteten Instrumentalform, die zu vielfältigen Versuchen und Freiheiten einlud. Keine vokalen Modelle waren mehr zu berücksichtigen, keine melodischen Formeln zu bewahren! Francesco da Milano machte aus jedem einzelnen seiner „Suchstücke“ ein eigenständiges Werk. Die Ricercari 1, 12, 5, 73, 34 und 15 (Edition Ness) legen davon ein glänzendes Zeugnis ab.


Der Aufbau der Ricercari

Mit seinem klaren Aufbau, seiner Strenge der imitierenden Themeneinträge, die regelmäßig von der Höhe in die Tiefe reichen, seinen sich wiederholenden Kadenzen, die kurze Abschnitte begrenzen, weist das Ricercar 1 wenig Ähnlichkeit mit dem Ricercar 5 auf und noch weniger mit „La Compagna“ (Ricercar 34). Es ist das melodische Sprühen, das dem Ricercar 34 Kraft verleiht, besonders in seinem zweiten Teil: eine melodische Linie von kurzen Werten durchläuft die verschiedenen Register, entwickelt und wiederholt unaufhörlich das dreitönige Anfangsmotiv (D – Es – D), bringt es in der Umkehrung und in rhythmischer Veränderung. Hier endet die Polyphonie: nur einige Akkorde und vereinzelte Linien unterstützen die großen Melodiebogen. Man ist weit entfernt von der Motetten- und Chansontranskription; es ist eine Neuorientierung rein instrumentaler Art.


Der Stil des Ricercar 12

Ein anderer Stil, eine andere Konstruktion findet sich im Ricercar 12: der Mittelteil besteht aus kurzen Abschnitten ohne kadenzierende Einschnitte; im Sopran erscheint schon das im folgenden Abschnitt entwickelte Motiv, während die anderen Stimmen den Abschluss bilden. Das sich daraus ergebende Fließen kontrastiert stark mit der anfänglichen Ruhe, die übrigens am Schluss wieder eintritt. Kein Thema mehr, sondern eine Folge von Akkorden, deren Töne sich ständig wiederholen (das D des Sopranes wird mehr als zehnmal angeschlagen) und wie im Raume schweben bleiben…


Gemeinsamkeiten zwischen Francesco da Milano und Alberto da Rippa

Zwischen Francesco da Milano und ALBERTO DA RIPPA bestehen mehrere Gemeinsamkeiten: beide erhielten ihre musikalische Ausbildung in Mantua, wo das Musikleben zu Beginn des 16. Jahrhunderts besonders reich war. Während aber „Il Divino“ in Rom lebte, wurde sein Zeitgenosse Da Rippa 1528 von Franz I. an den französischen Hof berufen, den der Lautenist nicht mehr verließ. In der Tat stand Da Rippa beim König in besonderer Gunst; französische und italienische Schriftsteller und Dichter lobten unermüdlich das Entzücken, in welches der Musiker seine Zuhörer zu versetzen wusste:

Sopra al sonar del Liuto del S. Alberto Mantovano
Quando la mar sovr’al Liuto move
Alberto, a cui no fu mai par, ne fia,
Ogni spirto gentil volendo via
Se ne va con suo suono in grembo a Giove.


Die Werke von Alberto da Rippa

Die Werke des Lautenisten wurden erst nach seinem 1551 erfolgten Tode veröffentlicht.

Auffallend ist die Komplexität der FANTASIEN VI und VII von Alberto da Rippa, deren Struktur dennoch eine erstaunliche Klarheit aufweist.


Die Struktur der Fantasie VI

Die deutlich in 4 Abschnitte unterteilte Fantasie VI beginnt mit einer vom Bass aufsteigenden Bewegung, die in ihrer Wiederholung die Sopranstimme einbezieht. Dieses Element wird in der Folge nicht mehr verarbeitet: es wird nur—immer im Bass—zu Beginn des Schlussabschnittes angedeutet. Die 2 Mittelteile entfalten sich auf voneinander unabhängige Weise. Darüber hinaus ist jeder von ihnen nach einem anderen, verschiedenartigen kontrapunktischen Verfahren angelegt: im zweiten Abschnitt überwiegt freie Imitation—vor allem im Bass—was diesem Teil eine große Stabilität verleiht. Im dritten Abschnitt hingegen erlaubt es eine neue, das kurz angekündigte Motiv wiederholende Stimme, mit den gegensätzlichen Klangfarben jedes Registers zu spielen.


Kontraste in der Kompositionstechnik

Diese auf Kontrasten basierende Kompositionstechnik gelingt es, der Fantasie VI eine reizvolle Einheit und Undurchsichtigkeit zu verleihen. Die etwa dreißig Jahre früher komponierten Werke von VINCENZO CAPIROLA—das Manuskript ist um 1520 entstanden—bezeugen eine ganz andersartige Richtung: Elemente volkstümlicher Herkunft nehmen einen überragenden Platz ein, ob es sich um Tänze, Ricercari oder polyphone Chansons, wie etwa LA VILLANELLA oder CHE FARALA CHE DIRALA handelt. Durch die Frische, die sich darin entfaltet, bezaubert Capirola noch heute.


Die Rolle der Laute im italienischen Musikleben

Ein Jahrhundert später spielte die Laute im italienischen Musikleben noch immer eine bedeutende Rolle. Dennoch entsprach das Instrument, für das ALESSANDRO PICCININI Tokkaten, Gaillarden, Couranten und Balletti komponierte, nicht mehr genau demjenigen Capirolas. Eine der wichtigsten Änderungen am Instrument betrifft die von 6 auf 13 erweiterte Zahl der Chöre (1 Chor = 2 Saiten): dadurch wurde das tiefe Register der Laute beträchtlich vergrößert.


Piccininis Tanzmusik

Im BALLETTO IN DIVERSE PARTITE, das er als Tanzmusik für den „Illustrissimo Signor Conte Bentivogli“ schuf, spielte Piccinini mit den Rhythmen, um ein einziges Thema zu behandeln, das er im Laufe vielfacher Variationen in Pavanen, Gaillarden, Couranten und Arien abwandelte.

Piccinini ist einer der letzten großen italienischen Komponisten, die für die Renaissance-Laute schrieben. Nach ihm und bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts interessierten sich die Musiker für ein neues Instrument: die Barocklaute.


DENISE PERRET
Musikwissenschaftlerin
Neuenburg (Schweiz)
(angepasst durch ChatGPT)

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