Extraits / Excerpts
Richard Flury: Violin Sonata No. 1, No. 2 & No. 3 - Gilles Colliard, violon - Timon Altwegg, piano
Richard FLURY: Violin Sonata No. 1 in G Major: I. Allegro moderato – II. Andante – III. Scherzo – IV. Allegro finale – Violin Sonata No. 2 in A Major: I. Allegro – II. À la Marche funèbre – III. Scherzo – Violin Sonata No. 3 in E-Flat Major: I. Andante – II. Scherzo – III. Andante mit Variationen
Interpreten:
Gilles Colliard, Violine
Timon Altwegg, Klavier
Richard Flury: Violinsonaten Nr. 1, 2 und 3
Richard Flurys 11 Sonaten für Violine und Klavier gehören, sowohl was die schiere Anzahl betrifft, als auch vor allem ihrem inneren Gehalt nach, zum vermutlich wichtigsten von einem Schweizer Komponisten verfassten Werkkomplex dieser Gattung. Vergleichbar höchstens noch mit Hans Hubers zwischen 1877 und 1915 entstandenen 9 Sonaten, umspannen Sie einen Zeitraum von 1918 bis 1961 und somit de facto Flurys gesamte Schaffensperiode.
Keine andere Grossform wurde von ihm so oft bedacht, sodass den 11 Sonaten, als quasi eigener Mikrokosmos, auch innerhalb Flurys eigenem Schaffen eine Sonderstellung zukommt, in welcher sich seine kompositorische Entwicklung sehr genau beobachten lässt.
Dass Richard Flury an dieser Gattung so interessiert war überrascht nicht, war er doch selbst ein sehr guter Geiger. Hätte er nicht bereits als Kind durch einen Sturz eine schwerwiegende Fingerverletzung erlitten – eine Glasscherbe durchschnitt eine Sehne des linken Zeigefingers – hätten wir vielleicht heute gar keinen Komponisten Richard Flury, sondern würden uns nur an einen Geiger dieses Namens erinnern (eine verblüffende Parallele übrigens zu Robert Schumanns Finger-Malheur und der daraus folgenden Konsequenz!).
Der zweite, vielleicht noch wichtigere Grund für die Existenz der 11 Sonaten war Flurys 1939 geschlossene Ehe mit seiner früheren Schülerin, der Geigerin Rita Gosteli. Nach der raschen Vollendung der ersten drei Sonaten 1918 innerhalb gerade einmal 6 Monaten bedachte Flury diese Werksgattung lange Zeit gar nicht mehr.
Erst 1936, mit dem Auftauchen Ritas in seinem Leben, begann er wieder Violinsonaten zu komponieren: Die zwischen 1936 und 1948 entstanden Sonaten Nr. 4–7, wie auch die 1951 entstandene Suite für Violine und Klavier sind allesamt ihr gewidmet. 1918, dem Entstehungsjahr der Sonaten Nr. 1–3, war der 22-jährige Richard Flury einerseits Leiter der Militärspiele der Schützen-Bataillone 3 und 5, andererseits aber auch bereits Student von Hans Huber am Konservatorium Basel.
Die Sonaten fallen also noch in seine Studienzeit, und dies mag auch der Grund dafür sein, dass der immer überaus selbstkritische Flury sich später von seinen Jugendwerken distanzierte und sie nicht veröffentlichte. Wir widersetzen uns mit diesen Aufnahmen also diametral dem Wunsch des Komponisten nach „Nicht-Veröffentlichung“, bringen dafür aber gute Gründe zu unserer Entschuldigung vor:
1. Die Werke sind vollgültige Kompositionen. Selbst wenn man hie und da vielleicht noch eine gewisse formale Unbeholfenheit erkennen kann, sind sie doch so reich an schönen Einfällen, dass es ein Jammer wäre, wenn sie nur noch als „Bibliotheks-Leichen“ existieren würden; umso mehr, als es gerade in der Zeit um den 1. Weltkrieg auch nicht gerade wimmelt von überragenden Violinsonaten aus der Schweiz.
2. Es ist hochinteressant und wichtig, sehen zu können, wie Flury sich als Komponist harmonisch und formal entwickelt hat. Mit diesen Aufnahmen können auch Nicht-MusikwissenschafterInnen hörbar nachvollziehen, aus welchen Anfängen er seine letztendlich ganz eigene Tonsprache gestalten konnte.
Und last but not least: Sein Sohn, der Komponist Urs Joseph Flury, gab sein Einverständnis. Nach anfänglicher Skepsis, aber ohne die Werke je gehört zu haben, ganz gefangen im Narrativ seines Vaters, die Sonaten seien absolut uninteressant und blosse Jugendwerke, findet Urs Joseph Flury die Sonaten nun auch ganz erstaunlich in ihrer Qualität. Er konstatiert sogar, sein Vater habe später nie mehr derart melodiös komponiert wie in diesen drei Werken!
Timon Altwegg
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