Schumann Kinderszenen, Op. 15 - Bobby Mitchell | VDE-GALLO

SCHUMANN : KINDERSZENEN, OP. 15 – FANTASY, OP. 17 – FOUR FUGUES, OP. 72 – ARABESQUE, OP. 18 – SCHERZINGER : PIANO ETUDES – BOBBY MITCHELL, PIANO (LIVE)

GALLO CD-1618

Robert SCHUMANN : Kinderszenen, Op. 15 – Fantasy in C Major, Op. 17 – Four Fugues, Op. 72 – Arabesque, Op. 18 – Martin SCHERZINGER : Piano Étude No. 1 „fast zu sorglos“ – Piano Étude No. 2 „The Horse is Not Mine, An Imitation Horse“ – Piano Étude No. 5.

Bobby Mitchell, Klavier.

https://www.bobbymitchellpiano.com/

Booklet GALLO CD-1618.pdf

Wer Robert Schumanns Musik im Konzert spielt, ist vielfältigen Mächten ausgesetzt, die heimlich die Aufführung lenken. Der Klang des Klaviers ruft übernatürliche Kräfte herbei und lässt sie ihren Zauber entfalten. Stets wirken sie auf einmalige, ungeahnte Weise zusammen – die nächste Aufführung wird zwangsläufig anders sein. In einem gewissen Sinn ereignet sich diese Art von Magie natürlich immer, wenn Kunst live dargeboten wird. Aber ich glaube, dass Schumanns Musik eine besonders einladende Bühne bietet, damit solche Kräfte wirksam werden können.

Hinter seinen sorgsam notierten Stücken liegt eine innere Welt voller psychischer Spannungen. Die nicht vorhersehbaren Zustände, in denen sich verschiedene Stimmungen – Glück, Verzweiflung, Kummer, Begeisterung – in Schumanns Seele mischen konnten, nahmen ihn gefangen, aber verwirrten ihn auch. Er bemühte sich, seine innere Welt zu ordnen, indem er bestimmten Wesenszügen Namen gab und sie personifizierte. Florestan und Eusebius sind oft als imaginierte Figuren angesehen worden, doch können sie auch als einander entgegengesetzte Kräfte verstanden werden, die in ähnlicher Weise zusammenspielen wie Yin und Yang. Im Prinzip ist Schumanns innere Welt nichts Aussergewöhnliches, hat doch jeder Mensch seine eigene, verschieden von der Schumanns, aber gleichermassen einzigartig und komplex. Aussergewöhnlich war, wie Schumann für uns einen Zugang zu seiner Welt geschaffen hat durch die musikalische Notation, eine blosse Zusammenstellung von Zeichen also, die so viel Bedeutung übermitteln kann.

In Schumanns Partituren nehme ich eine Unterströmung von fast unerträglicher Spannung wahr. Beinahe überall ist sie merklich, ein Geysir, der nie zur Ruhe kommt, sondern stets aktiv ist und hier einige Bläschen, da eine Fontäne siedenden Wassers aufsteigen lässt. Sogar dort, wo der Dichter ruhig und weise zu uns spricht (wie am Ende der Kinderszenen), ist die Notenseite von kleinen Spritzern schwarzer Tinte bedeckt, die einen bangen und ungewissen Unterton einbringen. Und selbst Schumanns Träumerei ist nicht bloss ein harmloser Tagtraum – die kleinen kanonischen Echos, die der melodischen Geste des Anfangs folgen, zeigen eine unterschwellige Ruhelosigkeit, die sich auch beim ziellos schweifenden Fantasieren mitunter nicht verdrängen lässt. Zu diesen Kindheitsbildern von Schumann bilden Martin Scherzingers Etüden mit ihrer kreativen Anverwandlung von Schumanns Tönen einen sonnigen Kontrast. Selbst jugendlich in ihrer vorwärtsdrängenden, rhythmischen Art, hat die Musik Scherzingers mich darin beeinflusst, wie ich Schumanns Musik in ihren Schichtungen wahrnehme und zum Klingen bringe.

Auch die erste Seite der Fantasie quillt über vor jener naturhaften Energie, die ich ansprach. Es ist ein Strom von sprudelndem Wasser, der rauschend unter einem leidenschaftlichen melodischen Aufschrei hindurchfliesst. Die Melodie höre ich als Vertonung des Schlegel-Textes, den Schumann seinem Stück vorangestellt hat:

„Durch alle Töne tönet
Im bunten Erdentraum
Ein leiser Ton gezogen
Für den der heimlich lauschet.“

Die Einspielung umfasst Live-Aufnahmen, die in den Jahren 2016 und 2019 in San Francisco (Old First Methodist Church) entstanden sind.

Bobby Mitchell, 2020

CHF 19.50

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