Mendelssohn Harmonium Klavier Duo - Christoph Lahme | VDE-GALLO

Mendelssohn: Liaison Extraordinaire für Harmonium-Klavier duo – Christoph Lahme – Oliver Drechsel

GALLO CD-1721

Mendelssohn: Liaison Extraordinaire für Harmonium-Klavier duo Overture Ruy Blas, Op. 95 – The Hebrides Overture, Op. 26 – Christoph Lahme – Oliver Drechsel

Felix MENDELSSOHN: Overture Ruy Blas, Op. 95, MWV P15 (Arr. for Harmonium-Klavier duo by A. Reinhard) – Organ Sonata No. 4 in B-Flat Major, Op. 65, MWV W59 (Arr. for Harmonium-Klavier duo by C. Lahme): III. Allegretto – The Hebrides Overture, Op. 26, MWV P7 „Fingal’s Cave“ (Arr. for Harmonium-Klavier duo by A. Reinhard) – Piano Concerto No. 1 in G Minor, Op. 25, MWV O7 (Arr. for Harmonium-Klavier duo by A. Reinhard): II. Andante – Overture „A Midsummer Night’s Dream“, Op. 21, MWV P3 (Arr. for Harmonium-Klavier duo by A. Reinhard) – Violin Concerto in E Minor, Op. 64, MWV O14 (Arr. for Harmonium-Klavier duo by A. Reinhard): II. Andante – Herbstlied, Op. 63, No. 4, MWV J11 (Arr. for Harmonium-Klavier duo by C. Lahme) – Elias, Op. 70, MWV A25, Pt. 1 (Arr. for Harmonium-Klavier duo by C. Lahme): For He Shall Give His Angels – Symphony No. 4, Op. 90, MWV N16 (Arr. for Harmonium-Klavier duo by O. Drechsel): I. Allegro vivace.

Christoph Lahme, Harmonium
Oliver Drechsel, Klavier


„[…] es sind wunderschöne Register darin, mit denen man Choräle figurieren kann. Da erbaue ich mich denn am himmlisch strömenden Ton des Instruments – namentlich, Fanny, habe ich hier die Register gefunden, mit denen man Seb. Bachs ‚Schmücke dich, o liebe Seele‘ spielen muss. Es ist, als wären sie dazu gemacht und es klingt so rührend, dass mich es alle Tage wieder durchschauert, wenn ich es wieder anfange. Zu den gehenden Stimmen habe ich eine Flöte 8 Fuss und eine ganz sanfte 4 Fuss, die nun immer über dem Chorale schwebt – Du kennst das schon von Berlin her. Aber zum Choral ist ein Clavier da, das lauter Zungenregister hat, und da nehme ich dann eine sanfte Hoboe, ein Clairon sehr leise 4 Fuss und eine Viola, das zieht den Choral so still und durchdringend, als wären es ferne Menschenstimmen, die ihn aus tiefstem Herzensgrunde sängen.“

So enthusiastisch berichtet Felix Mendelssohn Bartholdy in einem Brief an seine Schwester Fanny vom 6. Oktober 1831 über die Zungenregister des Manuals mit der Physharmonika in St. Peter in München. Die Physharmonika ist eines der Vorläuferinstrumente des Harmoniums, besaß also durchschlagende Zungen mit dem Vorzug einer dynamischen Schattierung über den Winddruck, auch wenn man darauf nicht wirklich expressiv wie auf dem späteren Harmonium spielen konnte.

Mendelssohn hat aber auch außerhalb von Orgeln Bekanntschaft mit Vorläuferinstrumenten des Harmoniums, sogenannten Orgue expressif, gemacht. Ob nun anlässlich der Begegnung mit Sigismund Neukomm oder als Dauergast bei Freiherr von Bunsen: Jene frühen Orgues expressifs haben Mendelssohn offensichtlich keinen Anreiz zu eigener kompositorischer Tätigkeit geliefert; vielleicht lag es an eher kompositorisch abschreckenden Erlebnissen wie diesem, von dem er in einem Brief vom 25. März 1825 aus Paris an seine Mutter berichtet:

„Neukomm (er scheint sehr gut zu unterrichten) begleitete sie [die Sänger eines Stabat mater] auf der orgue expressive, einem neu-erfundenen Instrumente, in welchem ein Gambenregister steckt, das man vermittelst der Bälge anschwellen und abnehmen lassen kann. Zwischen jedem Stück der ziemlich trocknen, doch ziemlich melodiereichen Komposition, spielte er den Cantus firmus, und wollte jedesmal andre Harmonien unterlegen. Das ging nich! Es wurde immer einförmiger, und je gedrehter, je flacher. Am Ende war eine Fuge. Brrrr!“

Mendelssohns eingangs erwähnte Freude an den Zungenregistern ist auf der vorliegenden CD mit Harmonium und Klavier, welche ein durchaus orchestrales Klanggewand in kleiner kammermusikalischer Besetzung vermittelt, in abwechslungsreichen Bearbeitungen seiner Werke umgesetzt:

Die mitreißende Ouvertüre zu Ruy Blas, hier in einer kongenialen Bearbeitung von August Reinhard (1831–1912), ist ein Gelegenheitswerk Mendelssohns, über dessen Entstehung er in einem Brief an seine Mutter vom 18. März 1839 aus Leipzig schrieb:

„Du willst wissen, wie es mit der Ouvertüre zugegangen ist – lustig genug; vor 6–8 Wochen kam die Bitte an mich für die Vorstellung des Theaterpensionsfonds (einer sehr guten und wohlthätigen Anstalt hier, die zu ihrem Benefiz Victor Hugo’s Ruy Blas gab) eine Ouvertüre und die in dem Stück vorkommende Romanze zu komponieren, weil man sich davon eine bessere Einnahme versprach wenn mein Name auf dem Titel stände. Ich las das Stück, das so niederträchtig unter jeder Würde ist wie man’s gar nicht glauben kann, und sagte zu einer Ouvertüre hätte ich keine Zeit, und komponierte ihnen die Romanze. Montag (heut vor 8 Tagen) sollte die Vorstellung sein; Dienstag kommen die Leute nun, bedanken sich höflich für die Romanze, und sagen, es wäre so schlimm, dass ich keine Ouvertüre geschrieben hätte, aber sie sähen sehr wohl ein, dass man zu einem solchen Werk Zeit brauche, und im nächsten Jahre, wenn sie dürften, wollten sie mir’s länger vorher sagen. Dieses wurmte mich; Cécile hatte sich erkältet und lag abends um 9 und schlief, da überlegte ich mir die Sache, fing meine Partitur an; Mittwoch war den ganzen Morgen Konzertprobe, Donnerstag Konzert, und Freitag früh war die ganze Ouvertüre beim Abschreiber, wurde Montag erst im Konzertsaal 3-mal dann einmal im Theater probiert, abends zu dem infamen Stück gespielt, und hat mir einen so großen Spaß gemacht, wie nicht bald eine von meinen Sachen.“

In Christoph Lahmes Arrangement des Allegrettos aus der 4. Orgelsonate op. 65 dominiert das Harmonium mit einem Dialog zwischen Melodie in Sopran- und Tenorlage, beide Stimmen umgarnen sich. Es hat von seiner Anlage starke Ähnlichkeit mit dem für Klavier solo komponierten „Duett“, dem Lied ohne Worte op. 38/6. Ein weiteres „Duett ohne Worte“ aus dem Jahre 1836 war Grundlage für das Herbstlied op. 63/4, 1844 arbeitete Mendelssohn es für zwei Singstimmen mit Klavierbegleitung auf einen Text von Karl Klingemann um. Für den Musikwissenschaftler R. Larry Todd ist diese Komposition „ein faszinierender Beleg für Fannys Behauptung, dass sich die Geschwister als Kinder den ‚Spaß‘ gemacht hatten, ‚deinen Spielliedern Worte zu unterlegen.‘“ In der von Christoph Lahme vorgenommenen Rückführung auf die instrumentale Ebene übernimmt das Harmonium beide Singstimmen, die Oberstimme der Bariton, die Unterstimme der Basson.

Christoph Lahme / Oliver Drechsel, août 2024

 

Booklet CD-1721.pdf

CHF 19.50

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