Schumann: Das Paradies und die Peri, Op. 50 | VDE-GALLO

Schumann: Das Paradies und die Peri, Op. 50 – Edith Wiens – Chœur de Chambre Romand – Chœur Pro Arte de Lausanne – Orchestre de la Suisse Romande, Armin Jordan

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Robert SCHUMANN: Das Paradies und die Peri, Op. 50

CD 1:
Robert SCHUMANN: Das Paradies und die Peri, Op. 50, Erster Teil: No. 1 Vor Edens Tor im Morgenprangen – No. 2 Wie glücklich sie wandeln – No. 3 Rezitativ – Der hehre Engel, der die Pforte – No. 4 Wo find ich sie? – No. 5 So sann sie nach – No. 6 Doch seine Ströme sind jetzt rot – No. 7 Und einsam steht ein Jüngling – No. 8 Weh, weh, er fehlte das Ziel – No. 9 Die Peri sah das Mal der Wunde – Zweiter Teil: No. 10 Die Peri tritt mit schüchterner Gebärde – No. 11 Ihr erstes Himmelshoffen schwand – No. 12 Fort streift von hier das Kind der Lüfte – No. 13 Die Peri weint – No. 14 Im Waldesgrün am stillen See – No. 15 Verlassener Jüngling – No. 16 O lass mich von der Luft durchdringen – No. 17 Schlaf nun und ruhe in Träumen voll Duft.

CD 2:
Robert SCHUMANN: Das Paradies und die Peri, Op. 50, Dritter Teil: No. 18 Schmücket die Stufen zu Allahs Thron – No. 19 Dem Sang von ferne lauschend – No. 20 Verstossen! Verschlossen aufs neu – No. 21 Jetzt sank des Abends goldner Schein – No. 22 Und wie sie niederwärts sich schwingt – No. 23 Hinab zu jenem Sonnentempel – No. 24 O heilge Tränen innger Reue – No. 25 Es fällt ein Tropfen – No. 26 Freud, ewge Freude, mein Werk ist getan.

Edith Wiens, soprano – Sylvia Herman, soprano – Ann Gjevang, alto – Robert Gambill, ténor – Christophe Prégardien, ténor – Hans-Peter Scheidegger, basse.

Chœur de Chambre Romand Chœur Pro Arte de Lausanne, André Charlet Orchestre de la Suisse Romande, Armin Jordan, direction.

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Das Paradies und die Peri

1841 begann für Robert Schumann eine Periode intensiver schöpferischer Tätigkeit, die drei volle Jahre anhielt. Die von dem starrköpfigen Vater Wieck immer wieder hinausgeschobene und am 21. September endlich vollzogene Ehe des Komponisten mit Tochter Clara bedeutete den Beginn eines offenbar glücklichen Lebensabschnitts. Unter diesen günstigen Vorzeichen entstanden 1841 die beiden ersten Symphonien, sowie 1842 große kammermusikalische Meisterwerke. 1843 zeigten sich bei Schumann die ersten Ermüdungserscheinungen seiner Schöpferkraft. Das Paradies und die Peri ist die einzige bedeutende Komposition dieses Jahres.

Das Werk wird gemeinhin Oratorium genannt. In der Tat entspricht es der üblichen Definition eines Oratoriums: ein Stück für Solostimmen, Chor und Orchester, das nicht für die Bühne bestimmt ist. Schumann selbst hat das Wort auf seine Komposition angewandt, allerdings mit der ausdrücklichen Einschränkung, Das Paradies und die Peri sei zwar ein Oratorium, “aber nicht für den Betsaal, sondern für heitere Menschen.“ Dieser Hinweis mag überflüssig erscheinen: In den 40er Jahren war das Oratorium längst der religiösen Bestimmung entwachsen, der es seinen Namen verdankt. Sein weltlicher Charakter hat sich seit Mitte des 18. Jahrhunderts durchgesetzt. Die Jahreszeiten von Haydn bedeuten die unbestreitbare Krönung dieser Verweltlichung. Warum also erneut eine Frage aufwerfen, über die man längst hinaus ist?

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Schumanns Originalität zeigt sich bereits in der Wahl von Thomas Moores Lalla Rookh. Bisher lieferten den Stoff für weltliche Oratorien entweder Sagen des Altertums, die sich nicht wesentlich unterschieden von den biblischen Geschichten eines geistlichen Oratoriums, oder Poesien, die allegorischen Personen zum Gegenstand hatten. So gehören, trotz des eindeutig realistischen Charakters, Haydns Jahreszeiten zu diesem letzteren Typus. Die Gefühlssphäre ist hier fast ganz ausgeschaltet. Das Lyrische bleibt von scheuer Zurückhaltung, fast unpersönlich. All das ändert sich mit dem Text von Thomas Moore. Die schwärmerischste englische Romantik hat hier ihren Höhepunkt erreicht. Durch die Wahl der psychologischen Motive, durch die orientalisierende Ausstattung, bis hin zum Zuschnitt der Verse folgt Moore den Spuren seines Freundes Byron, einer der Galionsfiguren der europäischen Jugend.

Schon der Stoff des Oratoriums hat durch seine Neuartigkeit die Musikwelt von 1843 aufhorchen lassen. Die Peri, legendäre Tänzerin und Halbgöttin, der das Paradies verschlossen bleibt, solange sie nicht dem Engel, der den Eingang bewacht, „des Himmels liebste Gabe“ darbringen kann, ist eine ganz neue poetische Gestalt. Jener Orient, dem sie zugehört, hat nichts gemein mit dem der barocken „Turqueries“. Es ist ein Morgenland des Traums, sehnsuchtsvoll beschworen von dem Dichter, der in einem imaginären „Garten Eden“ Zuflucht sucht vor der traurigen Realität des Lebens. Von den drei Gaben, die die Peri darbietet, öffnet ihr erst die dritte das Tor zum Paradies. Was weder das vergossene Blut des Kriegers noch die Seufzer der Liebe vermögen, wird durch die Träne der Reue gewährt, die das Gebet eines Kindes dem Verbrecher entlockt.

Der Stoff eignet sich nicht für eine Oper; ebenso wenig taugt er für die Unterteilung in aneinandergereihte Musikstücke, wie dies für die hergebrachten Oratorien der Fall war. Als moralisierendes Märchen verlangt das Gedicht sowohl einen durchgehenden Erzählfluss als auch eine subjektive Interpretation der Handlung. Nichts ist erklärbar; alles ist Einfühlung in die Sehnsucht und Verhaltenheit, die Wünsche und Ängste der Heldin. Diese ganz neuartige Dichtung erfordert eine ebenso neuartige musikalische Behandlung. So erfindet Schumann das erste romantische Oratorium. Alle Erfahrung, die der Liederkomponist hat sammeln können, bringt er ein in die Behandlung einer durchgehenden Melodie; das herkömmliche Rezitativ weicht der gesungenen Erzählung, die sich vorwiegend auf das Orchester stützt.

Ein Reichtum an ungehört neuen Klangfarben gibt dieser Geschichte von einem zauberhaften Orient ihre Leuchtkraft. Die fortlaufende Aneinanderreihung einzelner Stücke ist ganz aufgegeben. Innere Bewegung verleiht dem Geschehen Kontinuität, während personalisierte Themen den Ablauf rhythmisieren; Helden und Episoden werden von Motiven identifiziert, die man durchaus als Vorstufen zu dem späteren Wagnerschen Leitmotiv betrachten darf. Dem „großen Opus“ Das Paradies und die Peri war nur ein vorübergehender Erfolg beschieden. Bis heute ist es ein unverstandenes und ungeliebtes Werk geblieben. Und doch irrte sich Schumann nicht, wenn er von seiner, im weitesten Sinne des Wortes, größten Schöpfung sprach und dem Himmel dafür dankte, dass er ihm für die Vollendung der Komposition so viel Lebenskraft verliehen hat.

Jean-François Labie, übersetzung: Ingrid Trautmann

 

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