Honegger / Claudel: Jeanne d'Arc au bûcher | VDE-GALLO

Arthur Honegger / Paul Claudel: Jeanne d’Arc au bûcher – Sonia Petrovna – Michaël Lonsdale – Orchestre Symphonique Français, Laurent Petitgirard

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Arthur HONEGGER / Paul CLAUDEL: Jeanne d’Arc au bûcher

Jeanne d’Arc au bûcher: Prologue – Scène 1: Les voix du ciel – Scène 2: Le livre – Scène 3: Les voix de la terre – Scène 4: Jeanne livrée aux bêtes – Scène 5: Jeanne au poteau – Scène 6: Les Rois ou l’invention du jeu de cartes – Scène 7: Catherine et Marguerite – Scène 8: Le Roi qui va-t-a Reims – Scène 9: L’épée de Jeanne – Scène 10: Trimazô – Scène 11: Jeanne d’Arc en Flammes.

Sonia Petrovna, Jeanne
Michaël Lonsdale, Frère Dominique
Christian Papis, Porcus
Anne-Marie Blanzat, La Vierge, La Mort
Claudine Le Coz, Marguerite
Constance Fee, Catherine
Jacques Schwarz, Un Héraut, un clerc
Michel Fockenoy, Un Héraut, un clerc

Compagnie du Théâtre de la Pie Rouge: Sylvie Habault, Guy Faucon, Jean-Pierre Bourdaleix, Joël Lefrançois, Jean-Claude Duboc.

Orchestre Symphonique Français, Chœur de Rouen-Haute-Normandie, Maitrise des Hauts-de-Seine,
Laurent Petitgirard, direction.


Jeanne d’Arc auf dem Scheiterhaufen

Das Zusammentreffen von Paul CLAUDEL und Arthur HONEGGER ist eines jener Ereignisse, die einer Epoche ihre Farbe geben.

Der große katholische Dichter und der protestantische Komponist hätten jedoch beinahe nicht zusammengearbeitet. Als CLAUDEL nämlich vorgeschlagen wurde, das Libretto für diese JEANNE D’ARC zu schreiben, lehnte er kategorisch ab: „Jeanne d’Arc ist eine offizielle Heldin, die gesprochen hat und deren Worte, die in allen Erinnerungen sind, keine allzu freie Abschrift erfahren können. Es ist schwierig, eine historische Figur in einem fiktiven Rahmen zu formen“, erklärte der Dichter und fügte hinzu: „Vergoldet man Gold und bleicht man Lilien?“.

Als CLAUDEL am Tag nach der Ablehnung wieder mit dem Zug fuhr, hatte er glücklicherweise eine Vision: Als er sich von den abstrakten Telegrafenmasten hypnotisieren ließ, sah er zwei Hände, die miteinander verbunden waren und ein Kreuz bildeten, das er selbst als „Alle Hände Frankreichs in einer Hand, eine solche Hand, dass sie nicht mehr geteilt wird“ interpretierte.

Vierzehn Tage später las er HONEGGER sein Manuskript vor.

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Von Anfang an erschien weit mehr als ein Libretto, sondern ein erhebendes Gedicht, ein Gedicht, das die Musik in ihren inneren Rhythmus, in ihr Wesen, in ihr Fleisch einschreibt. Ein Gedicht, das die Skandierung des Satzes, die Euphonien der Sprache, aber auch die Oppositionen Chor/Solisten als Elemente der musikalischen Architektur verwendet.

Darüber hinaus ist das Gedicht in einer Form aufgebaut, die die Strukturierung nach der Filmtechnik der Rückblende ermöglicht: Der Scheiterhaufen von Rouen ist zugleich Anfang und Ende des Werks, als ob Jeanne im Augenblick ihres Todes ihr Leben noch einmal durchlebt, wie es angeblich Sterbende im letzten Moment empfinden.

Schließlich ist CLAUDELs Text schon vor der ersten gesetzten Note ein Geflecht aus Farben, das eine fantastische Dynamik mit all diesen Sprachebenen gewährleistet, von grandios bis truculent, von mystisch bis volkstümlich, von erhaben bis naserümpfend, von „Les pages de nuit, de Sang, d’outre-mer et de pourpre se effeuillé sous mes doigts et il ne reste plus sur le pergament virginale qu’une initiale dorée“ bis „Heurtebise, mon compère, t’as retrouvé ta commère“… Harry HALBREICH fasst es in seiner spannenden HONEGGER-Biografie sehr treffend zusammen, indem er erklärt, dass CLAUDEL in dieser Kathedrale der Worte „das Kapitell und den Wasserspeier nebeneinander stehen lässt“.

HONEGGER stürzte sich sofort in die Arbeit, überwältigt von dem Text des Dichters, und konnte nach einigen Auftragsarbeiten seine JEANNE Ende 1935 fertigstellen.

Doch erst am 12. Mai 1938, im Anschluss an Jeanne d’Arc au bûcher.

Die Begegnung von Paul CLAUDEL und Arthur HONEGGER ist eines jener Ereignisse, die einer Epoche ihre Farbe verleihen.

Der große katholische Dichter und der protestantische Komponist hätten jedoch beinahe nicht zusammengearbeitet. Als CLAUDEL nämlich vorgeschlagen wurde, das Libretto für diese JEANNE D’ARC zu schreiben, lehnte er kategorisch ab: „Jeanne d’Arc ist eine offizielle Heldin, die gesprochen hat und deren Worte, die in allen Erinnerungen sind, keine allzu freie Abschrift erfahren können. Es ist schwierig, eine historische Figur in einem fiktiven Rahmen zu formen“, erklärte der Dichter und fügte hinzu: „Vergoldet man Gold und bleicht man Lilien?“.

Als CLAUDEL am Tag nach der Ablehnung wieder mit dem Zug fuhr, hatte er glücklicherweise eine Vision: Als er sich von den abstrakten Telegrafenmasten hypnotisieren ließ, sah er zwei Hände, die miteinander verbunden waren und ein Kreuz bildeten, das er selbst als „Alle Hände Frankreichs in einer Hand, eine solche Hand, dass sie nicht mehr geteilt wird“ interpretierte.

Vierzehn Tage später las er HONEGGER sein Manuskript vor.

Von Anfang an erschien weit mehr als ein Libretto, sondern ein erhebendes Gedicht, ein Gedicht, das die Musik in ihren inneren Rhythmus, in ihr Wesen, in ihr Fleisch einschreibt. Ein Gedicht, das die Skandierung des Satzes, die Euphonien der Sprache, aber auch die Oppositionen Chor/Solisten als Elemente der musikalischen Architektur verwendet.

Darüber hinaus ist das Gedicht in einer Form aufgebaut, die die filmtechnische Strukturierung der Rückblende ermöglicht: Der Scheiterhaufen von Rouen ist zugleich Anfang und Ende des Werks, als würde Jeanne im Augenblick ihres Todes ihr Leben noch einmal sehen, so wie es angeblich Sterbende im letzten Moment empfinden.

Schließlich ist CLAUDELs Text schon vor der ersten gesetzten Note ein Geflecht aus Farben, das eine fantastische Dynamik mit all diesen Sprachebenen gewährleistet, von grandios bis truculent, von mystisch bis volkstümlich, von erhaben bis naserümpfend, von „Les pages de nuit, de Sang, d’outre-mer et de pourpre se effeuillé sous mes doigts et il ne reste plus sur le pergament virginale qu’une initiale dorée“ bis „Heurtebise, mon compère, t’as retrouvé ta commère“… Harry HALBREICH fasst es in seiner spannenden Biografie über HONEGGER sehr treffend zusammen, indem er erklärt, dass CLAUDEL in dieser Kathedrale der Worte „das Kapitell und den Wasserspeier nebeneinander stehen lässt“.

HONEGGER stürzt sich sofort in die Arbeit, unterliegt subalternen Schwierigkeiten, so dass diese Jeanne d’Arc in Basel unter der Leitung von Paul SACHER mit Ida RUBINSTEIN, der Ideengeberin und Widmungsträgerin, in der Titelrolle uraufgeführt wird.

Das Stück gliedert sich in 11 Szenen, denen ein später geschriebener Prolog vorangeht: CLAUDEL, der von den dramatischen Ereignissen des Krieges und der Besatzung erschüttert war, fügte ihn 1944 hinzu, um das Werk in eine zeitgenössische Perspektive einzuordnen und gleichzeitig seinen exemplarischen Charakter und seine mythische Kraft zu bewahren.

Eine der vielen Originalitäten dieses einzigartigen Werks ist die gekonnte Mischung aus Sprechstimmen, Singstimmen, Chor und Orchester: Insbesondere die Titelrolle ist einer Sprechstimme anvertraut, die jedoch musikalisch stark eingerahmt ist, mit Passagen, in denen Jeannes Stimme in ihren rhythmischen Biegungen notiert wird, und anderen, in denen sie selbst ihren eigenen Rhythmus erfindet, in der Bewegung des Werks und der Aufführung.

Dies zeigt, wie sehr man für diese Rolle eine außergewöhnliche Interpretin braucht, eine Schauspielerin, aber vor allem eine Diseuse, die in ihrem Inneren diesen musikalischen Pulsschlag und dieses natürliche Rhythmusverständnis besitzt, die die eigentliche Grundlage des Gedichts bilden. Ida RUBINSTEIN muss all diese Eigenschaften besessen haben. Sonia PETROVNA verfügt heute über die gleiche innere Stärke, die gleiche Intensität, die sich von den ersten Worten an („Wer ruft mich?“), wie aus einem Traum kommend, absolut durchsetzt. Sie bringt diese Jeanne auf eine erschütternde Höhe der Wahrheit, weil sie ohne jeden Effekt, ohne Zurschaustellung, ohne Schrei, einfach nur die Nacktheit einer spannungslosen Stimme ist, die dieser Musik im Gegenzug etwas Brennendes verleiht.

Laurent PETITGIRARD hat es mit seinem Orchestre Symphonique Français geschafft, dieser Musik sowohl ihren Glanz als auch ihre Kontraste, die Geschmeidigkeit ihrer Übergänge und die Schärfe ihrer Brüche zu verleihen.

Außerdem sorgte er für die genaue Orchesterfarbe, die HONEGGER wollte, mit den drei Saxophonen, die die drei Hörner ersetzten, der fehlenden Harfe, aber zwei Klavieren, die in der Kartenspielszene mit Hilfe einer über die Saiten gelegten Vorhangstange zu Cembali werden, und den Martenot-Wellen, für die HONEGGER eine Vorliebe hatte und die hier ihre Rolle als mehr oder weniger seltsame, geheime Beschwörung spielen, wie die des Hundes, der in der Nacht heult.

Mit Michael LONSDALEs massivem und ängstlichem Bruder Dominique, der Shakespeare’schen Glut der volkstümlichen Szenen mit ihrer ausgeprägten Schärfe, ob sie nun gesungen (Porcus) oder gesprochen werden, ist diese Version von Jeanne d’Arc au Bûcher ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte des Meisterwerks von CLAUDEL-HONNEGGER seit seiner ersten Aufnahme, die 1943 in den Studios von Pathé-Marconi unter der Leitung von Louis DE VOCHT mit Marthe DUGARD als Jeanne und Raymond GEROME als Frère Dominique gemacht wurde.

Jeanne d’Arc au Bûcher ist ein einzigartiges Werk: ein dramatisches Oratorium natürlich, wie der Untertitel besagt, aber auch eine „Ballade“ im mittelalterlichen Sinne, ein naives Fresko und eine konzertierte Metapher, eine Entfaltung vieler Möglichkeiten der gesprochenen Stimme im Dialog mit den musikalischen Massen, Orchester oder Chor. Modern in der Form und klassisch in der Sprache, aber auch klassisch in der spirituellen Kraft und modern in der schwindelerregenden Unruhe, im Sinn für das Absurde und den Plural, in der Mischung der Genres, in der Tat unklassifizierbar wie alle Werke, die über den Anlass hinausgehen, ist Jeanne d’Arc au Bûcher mit ihren grotesken Facetten und ihren emotionalen Ausbrüchen, ihrem Knirschen und ihren Umwälzungen eine großartige Reflexion des Lebens. Diese Aufnahme zeugt davon.

 

Alain DUAULT

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